KONTEXT:Wochenzeitung
KONTEXT:Wochenzeitung

Lug & Trug

Lug & Trug
|

Datum:

"Du musst ooch nich immer alles glooben, was inner Zeitung steht", mahnte meine Omi Glimbzsch in Zittau bei passenden Gelegenheiten. So wie Gutenberg eben nicht die beweglichen Lettern erfunden hat, sondern das Morgenland, hat auch das Abendland die Pressefreiheit und menschliche Werte nur gepachtet und abgekupfert – vom Morgenland. Es ist doch lustig, dass ausgerechnet jene, die den Asylbetrüger am liebsten auf den Mond schießen täten, zumindest aber ins Morgenland abschieben würden, von ebendiesem verlangen, er sollte sich gefälligst integrieren – am besten noch vor der Abschiebung. Merke: Was wir hier brauchen, sind gut ausgebildete, junge und gesunde Ärzte aus Syrien, fitte IT-Leute aus Asien, Ingenieure aus dem Kosovo und Marias aus Polen. Alle anderen können bleiben, wo der Pfeffer wächst.

Dabei ist Integration nichts anderes als Annäherung, Auseinandersetzung und Kommunikation – etwas vom Feinsten jenseits von Festreden und Wahlkämpfen. Das freilich dürfen wir uns in diesen harten Zeiten für die Zugewanderten ebenso wünschen wie für die schon immer Dagewesenen: Integration. Sie, die Einheimischen, waren nicht immer da, ob in Untertürkheim, Klotzsche oder auf der Alb. Sie kamen in Migrationswellen (Jäger und Sammler!) aus Russland, lange vor Stalin, aus Litauen und Polen vor paar tausend Jahren und noch viel früher aus Afrika. Von ihnen stammt der Großteil der heutigen Europäer ab – so traurig das für Pegida & Co. auch sein mag. Den ersten Teil der Integration zur Menschwerdung des Affen leistete die Arbeit, der zweite Teil steht noch aus: die Integration der hiesigen Angsthasen aus Ost und West in die Wertegesellschaft des Menschen.

539 v. Chr. eroberten die Armeen von Kyros dem Großen Babylon. Der Große befreite die Sklaven und behauptete, dass alle Menschen das Recht hätten, ihre eigene Religion zu wählen, und dass alle, Hautfarbe piepegal, das Recht hätten, als Menschen zu leben. Das mündete später in die Verfassung der USA, die Orientierung für alle ist, die guten Mutes sind: dass die Menschwerdung des Affen letztlich doch gelingen möge. Später wurden uns Eingeborenen die Menschenrechte erklärt: Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen. Wer das kapiert, ist integriert. Vorher nicht.

 

Peter Grohmann ist Kabarettist und Initiator des Bürgerprojekts Die Anstifter.


Gefällt Ihnen dieser Artikel?
Unterstützen Sie KONTEXT!
KONTEXT unterstützen!

Verbreiten Sie unseren Artikel
Artikel drucken


0 Kommentare verfügbar

Schreiben Sie den ersten Kommentar!

Kommentare anzeigen  

Neuen Kommentar schreiben

KONTEXT per E-Mail

Durch diese Anmeldung erhalten Sie regelmäßig immer Mittwoch morgens unsere neueste Ausgabe unkompliziert per E-Mail.

Letzte Kommentare:






Die KONTEXT:Wochenzeitung lebt vor allem von den kleinen und großen Spenden ihrer Leserinnen und Leser.
Unterstützen Sie KONTEXT jetzt!