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Linke Mönchskutte unerwünscht

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Das Konziljubiläum in Konstanz soll die Stadt berühmt machen. Nichts ist zu teuer, der Ministerpräsident muss da sein, und der Einzelhandel wittert große Geschäfte. Da stören natürlich die versprengten Linken am Bodensee, die in Mönchskutten protestieren.

Ordner vor dem Kirchentor, Tickets für den Münsterbesuch – die Eröffnung des Spektakulums sorgte am vergangenen Wochenende für ungewohnte Neuerungen. So gut besucht war das prächtige Gotteshaus lange nicht mehr, und Demonstranten auf dem Münsterplatz gibt es auch nicht alle Tage: Gut ein Dutzend Linker verstörte die Festgemeinde, als sie im braunen Gewand des heiligen Franz von Assisi einherschritten. Aus ihrer Sicht ist das Kirchenevent viel zu teuer.

Mit Slogans wie "12 Millionen = 100 Sozialwohnungen" oder "Stadt für alle statt für wenige" oder "12 Millionen sind zu viel" demonstrierten ("unangemeldet", wie die Polizei monierte) Mitglieder der Linken Liste Konstanz (LLK) gegen das Konzilspektakel, das fast fünf Jahre lang "Konstanz in die Mitte Europas" rücken soll. Und alle Großkopfeten strömten durch den Regen in das trockene Münster: Pastoral im Prozessionszug die Bischöfe und Prälaten, würdevoll der Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und der Oberbürgermeister Ulrich Burchardt (CDU), emsig zahlreiche GemeinderätInnen und gemeines Volk.

Im Anschluss an den ökumenischen Gottesdienst, der auf den Konzilvorplatz am Bodensee-Hafen übertragen wurde, öffnete die baden-württembergische Landesausstellung "Konstanzer Konzil – Weltereignis des Mittelalters" im Konzilgebäude. Bis September sollen Altarbilder, Wandteppiche, Handschriften und alte Goldschmiedearbeiten zum Konstanzer Konzil gezeigt werden. Viele der 350 Exponate in der Großen Landesausstellung seien zum ersten Mal in Deutschland zu sehen, sagte der Leiter des Badischen Landesmuseums, Harald Siebenmorgen, bei der Eröffnung. Darunter beispielsweise ein Porträt des Gegenpapsts Benedikt XIII. und sein Bischofsstab – eigens mit einer Polizeieskorte aus Madrid an den Bodensee gekarrt.

Nur der "Südkurier" bringt alles – außer dem Protest

Das Konstanzer Konzil wurde auf Betreiben des deutschen Königs Sigismund einberufen und war eine der größten Versammlungen im Mittelalter. Zwischen 1414 und 1418 kamen 70 000 Bischöfe, Gelehrte und Fürsten, Künstler, Geldwechsler und Prostituierte in der damals nur 6000 Einwohner zählenden Bodenseestadt zusammen. Wichtigstes Ziel war, die damalige Kirchenspaltung zu überwinden, zeitweise bekämpften sich drei gleichzeitig amtierende Päpste. Das Konzil vor 600 Jahren sicherte zwar die Einheit der katholischen Kirche mit der Wahl von Papst Martin V. als alleinigem Kirchenoberhaupt, verpasste aber notwendige Reformen. So wurden Kritiker wie die Reformatoren Jan Hus und Hieronymus von Prag als Ketzer noch während des Konzils auf einem Scheiterhaufen vor der Stadt verbrannt. Sie sind bis heute von der Kirche nicht rehabilitiert.

Schade nur, dass der Auftakt zu den fünfjährigen Feierlichkeiten trotz der fast schon rührenden Anstrengungen der städtischen Organisatoren kaum mediales Echo fand: Selbst die nachbarliche Presse aus der Schweiz nahm kaum Notiz von dem Spektakel, überregionalen Medien war es höchstens ein paar dürre Zeilen wert, obwohl der Oberbürgermeister von einem "epochalen Weltereignis" und der Ministerpräsident von einer "Inspiration für den interkulturellen und interreligiösen Dialog" sprachen. Allein das Heimatblatt "Südkurier" und der gleichfalls staatstragende SWR rührten die Werbetrommel – und scheuten Übertreibungen ebenso wenig wie Weglassungen: So wurde der linke Protest, gut sichtbar und nicht unpfiffig vorgetragen, mit keinem Wort erwähnt: Die Sause, vor allem aber das Geschäft, verträgt keinen Protest.

Dazu passt, dass zum Auftakt des Jubiläumsmarathons eigens ein verkaufsoffener Sonntag organisiert wurde. Wobei, trotz streckenweise strömenden Regens, die Marketender-Buden auf der Marktstätte und dem Münsterplatz deutlich mehr Zuspruch fanden als die Geschäfte, die vergeblich auf heftigen Andrang warteten.

Ein Vorgeschmack auf die Jahrmarktstimmung

Obwohl sich also längst nicht so viele Schaulustige und Kauffreudige wie von Einzelhandelsfunktionären und FestorganisatorInnen erhofft durch die Gassen schlängelten, bekamen die Konstanzer doch bereits einen Vorgeschmack auf die Jahrmarktstimmung, die sie in den nächsten Monaten und Jahren erwartet: überteuerte Getränke, überfüllte Fahrradständer, abgefüllte Jugendliche schon am Nachmittag, Sirenenalarm im Halbstundentakt. Und mit weiteren Auswüchsen darf gerechnet werden. Womöglich also kommt der friedfertige Protest am Eröffnungstag der Realität weit näher als der Konsum-Enthusiasmus mancher Organisatoren.


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3 Kommentare verfügbar

  • Helmut Strenger
    am 30.04.2014
    Antworten
    Herzlichen Glückwunsch zu diesem pfiffigen Protest im Mönchsgewand. Gedenkveranstaltungen und lernen aus der Geschichte sind wichtig,
    aber auch ohne Verschwendung möglich.
    Hellmut G. Haasis hat dazu in seinem Buch Spuren der Besigten zum Konstanzer Konzil unter „Die hussitische Revolution und die…
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